Aktuelle News · 11.11.2022

Ratgeber: Authority Bias - Warum Sie nicht immer auf Experten hören sollten

Wie kommt es zum Authority Bias bei der Geldanlage? Beispiele und wie Sie den Denkfehler umgehen können.

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Finanzpsychologie Finanzratgeber

Autor*in Tobias Gabriel

Authority Bias: Warum Anleger nicht immer auf Experten hören sollten

Wie in vielen anderen Lebensbereichen neigen wir auch bei der Geldanlage dazu, dem Urteil von Obrigkeiten zu vertrauen. Das kann zum Authority Bias führen, einem mentalen Trugschluss, der Experten-Meinungen zu viel Gewicht verleiht. Erfahren Sie hier, wie Sie den Authority Bias umgehen können.

Auf einen Blick: Der Authority Bias und wie Sie ihn umgehen

  • Der Authority-Bias beschreibt die – überaus menschliche – Tendenz, den Einschätzungen von (vermeintlichen) Experten zu folgen und den Meinungen von Autoritäten ein hohes Gewicht beizumessen.
  • Wie auch der Hang des Menschen zum Verjubeln von Gewinnen (House Money Effekt) oder dem Suchen nach Argumenten, die der eignen Meinung entsprechen (Confirmation Bias), ist der Authority Bias ein Denkfehler, der beim Investieren viel Geld kosten kann.  
  • Eine Gegenstrategie ist Selbstreflexion: Machen Sie sich bewusst, dass auch Experten irren können und beziehen Sie Unternehmenszahlen sowie langfristige Anlegestrategien in Ihre Investmentscheidung ein.  
  • Vertrauen Sie nicht nur einer Einschätzung, sondern hören Sie unterschiedliche Meinungen. Achten Sie dabei bewusst auf eine Vielfalt an Quellen und Positionen, denn auch Experten befinden sich oft in einer Bubble und bestärken sich gegenseitig.  

In der Hanseatischen Anleger Community können Sie sich mit anderen Anlegern austauschen. Unser Grundsatz ist es, ausgewogen und kritisch über Finanzthemen zu berichten. Daher beleuchten wir stets die Pros und Contras und präsentieren Ihnen eine Vielfalt an Argumenten anstatt vorgefertigter Meinungen. 

Wie kommt es zum Authority Bias?

Anders als viele andere Denkfehler ist der Authority Bias vermutlich weniger evolutionär im Gehirn verankert als sozial antrainiert:  

Schon im Kindesalter wird uns eingebläut, auf Eltern, Lehrer und andere Obrigkeiten zu hören. Das gilt noch heute, auch wenn „Zucht und Ordnung“ in den Schulen sicher anders aussieht als noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Bei der Bildung junger Menschen wird inzwischen zwar zunehmend ein Fokus auf kritisches Denken gelegt, aber eine gewisse Hörigkeit ist dennoch erwünscht.  

Wer allzu sehr querdenkt, wird sozial schnell ausgeschlossen und fristet ein Außenseiterdasein. Das widerstrebt den meisten Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen. Es bestehen also ausreichend Anreize zur Assimilierung, zum angepassten Denken. Das birgt Gefahren.

Diese Effekte gehen mit dem Authority Bias einher

Halo-Effekt: Psychologen haben den Halo-Effekt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben. Halo heißt übersetzt Heiligenschein. Der Effekt besteht darin, dass eine wahrnehmbare Eigenschaft auf die gesamte Einschätzung einer Person abstrahlt. Ist jemand zum Beispiel attraktiv, besitzt einen hohen sozialen Status oder gilt als Experte bzw. Expertin, schreiben wir diesem Menschen weitere positive Eigenschaften zu. So halten wir zum Beispiel eine Person, die im Fernsehen über die Börse berichtet und dort als besonders wohlhabend dargestellt wird, für eine erfolgreiche Anlegerin.  

Starstruck: Derselbe Effekt führt auch dazu, dass Menschen „starstruck“ sind, also wie gelähmt, wenn sie plötzlich einem Prominenten begegnen. Seine Tätigkeit in der Öffentlichkeit, auf großen Bühnen oder in Kinofilmen strahlt auf seine bzw. ihre gesamte Persönlichkeit ab, sodass der Eindruck entsteht, er oder sie sei perfekt. Nicht selten kommt dann das böse Erwachen, wenn man feststellt, dass diese Person eigentlich unsympathisch ist.  

Konformität und Social Proof: Experten und Expertinnen stecken sich auch untereinander an, orientieren sich an der Einschätzung ihrer Kollegen sowie Kolleginnen und sorgen für kumulative Fehlprognosen und -Analysen. Das ist bei Finanzanalysten nicht selten. Ihre Aussagen wirken aufgrund der einvernehmlichen Breite in der Summe für das Publikum noch glaubhafter, was fatale Folgen haben kann, denn am Ende können sie trotzdem falsch sein.  

3 Beispiele für Börsen-Verluste aufgrund des Authority Bias

Vermeintliche Experten sind nicht immer Stars oder Prominente, sondern auch Politiker, Journalisten oder Börsen-Analysten. Bei der Wahrnehmung dieser Personen spielt der Authority-Bias eine große Rolle.

  • Telekom-Aktie 
    Nicht wenige Analysten waren Anfang der 2000er lange überzeugt von der Telekom-Aktie, bevor sie spektakulär einbrach. Das Vertrauen in diese Experten kostete damals viele Anlegerinnen und Anleger über 80% ihres Vermögens. Doch sogar 100% des Vermögens kann es kosten, auf vermeintliche Experten zu hören. Das zeigt Beispiel Nr. 2.
  • Wirecard 
    Im Wirecard-Beispiel geht es um den spektakulär irrenden „Mr. Dax“, Dirk Müller. Er fungierte im Fernsehen als Börsenexperte und sagte kurz vor der Wirecard-Pleite in einem öffentlichen Interview, dass die Firma völlig einwandfrei sei und er die Bilanz auf Herz und Nieren geprüft habe. Alle, die etwas anderes sagten, seien nur geldgierige Leerverkäufer, die auf Verluste spekulierten.  
  • Kurstreiber Elon Musk 
    Tesla- und Space-X-Gründer Elon Musk sorgt mit seinen Äußerungen und Tweets immer wieder für Höhenflüge einzelner Aktienkurse, denen fast immer ein Absturz folgt. So befeuerte er das Auf und Ab des Bitcoins und schlug sich zum Beispiel im Gamestop-Krimi auf die Seite der Kleinanleger, die daraufhin noch begeisterter in die Aktie investierten, die auf der Leerverkauf-Liste großer gegen Hedgefonds stand.  

    Das wohl kurioseste Beispiel: Nachdem der Messanger-Dienst What’s App aufgrund neuer Nutzungsbestimmungen in die Kritik geriet, twitterte Musk „Use Signal“, woraufhin Anhänger massenhaft Aktien des Unternehmens „Signal Advance“ orderten. Obwohl der Medizintechnik-Hersteller nichts mit dem Messanger Dienst zu tun hat, stieg der Kurs von Freitag auf Montag um 930 Prozent, um schnell wieder abzustürzen 

Fazit: Wie kann ich den Authority Bias umgehen?

Selbst kritische Geister, die von sich glauben, sie denken unabhängig und nicht fremdbestimmt, können von Authority Bias betroffen sein. Hier lohnt sich eine stetige Selbstreflexion. Denn der Effekt kann besonders an der Börse zu schmerzhaften Verlusten führen, die vermeidbar gewesen wären. Anlegerinnen und Anleger lassen sich sehr schnell von scheinbaren Börsenexperten und Börsenprofis beeinflussen. 

Prüfen Sie vor jeder Order sorgfältig ihre Motive und fragen sich, ob es triftige Argumente für eine Aktion gibt. Jede Order kostet Geld und kann große Konsequenzen auf Ihr Vermögen haben. Ziehen Sie gerne auch Ihren Community-Ansprechpartner oder Bekannte zurate, um sich über Gedanken auszutauschen. Das kann häufig, ganz ohne vermeintliche Experten, schon helfen, unnötige Fehler zu vermeiden.

Video-Tipp: Interview mit Science-Fiction-Autor Andreas Eschbach

Community-Geschäftsführer Tobias Gabriel hat ein Interview mit Science-Fiction Autor Andreas Eschbach geführt, in dem es unter anderem um Expertenmeinungen und Zukunftsprognosen geht.

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