Aktuelle News · 04.05.2023
Marktkommentar: Sell in May and go away?
Aus dem Pfadfinder-Brief Nr. 05 vom 03. Mai 2023, von Daniel Haase, Fondsmanager und Vorstand beim Hamburger Vermögensverwalter HAC
Jetzt lesen«Wir verwenden viel Zeit darauf, Antworten auf Fragen zu finden,
auf die es in einem komplexen System keine Antworten gibt.
Wir müssen unsere Ansprüche zurückschrauben auf ein Niveau, dass es uns ermöglicht,
mit Disziplin und beschränktem Wissen das Richtige zu tun,
ohne wissen zu können, warum es das Richtige ist, wie Friedrich Hayek es formulierte.»
Alfons Cortés auf themarket.ch
(Link zum Beitrag vom 2.3.23)
«Ordnung und Vereinfachung sind die ersten Schritte
bei der Beherrschung eines Themas.»
Thomas Mann
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
vor über 20 Jahren gründete ich in einer norddeutschen Volksbank zusammen mit einem Kollegen, einem recht ambitionierten Auszubildenden sowie zwei Kunden (Psychiater, Wirtschaftswissenschaftler) eine kleine Arbeitsgruppe zur gemeinsamen Analyse der Finanzmärkte. Damals waren Banken mittwochnachmittags geschlossen und so trafen wir uns immer mittwochs. Wir tauschten unsere Gedanken zu Unternehmen, volkswirtschaftlichen und politischen Entwicklungen aus, studierten aktuelle und historische Geschäftsberichte der größten, börsennotierten Unternehmen Deutschlands, der Schweiz und Österreichs, lasen fundamentale Analysen, diverse Finanzbücher, die Finanzwoche von Dr. Jens Ehrhardt sowie das Düsseldorfer Handelsblatt, die Financial Times Deutschland und auch die Finanz und Wirtschaft aus Zürich. Es war eine überaus interessante, anregende Zeit. Einzig unserem selbst gesetzten Ziel, Chancen und Risiken an den Märkten systematisch besser einschätzen zu können, kamen wir mit unseren fundamentalen Ansätzen keinen bedeutenden Schritt näher. Zu jedem Zeitpunkt gab es gute, fundamentale Argumente für steigende wie für fallende Kurse. Nach ungefähr zwei Jahren gaben wir auf. Rückblickend erscheint es seltsam und nicht allzu schmeichelhaft, dass wir so lange für diese Erkenntnis brauchten. Andererseits war ich nunmehr bereit, mich intensiver mit etwas zu beschäftigen, was ich zuvor noch als Humbug abgetan hatte: der technischen Marktanalyse. Einige Jahre später näherte sich ein israelisches Team wissenschaftlich der Frage, ob fundamentale oder technische Aktienempfehlungen besser Resultate liefern. Ihre Auswertungen bestätigten meine eigenen Erfahrungen eindrücklich:
Die systematische technische Marktanalyse hilft dabei, rechtzeitig das Richtige zu tun, lässt gleichwohl aber die bohrende Frage, warum es „das Richtige“ ist, weitgehend unbeantwortet. Mehr als begründete Vermutungen sind kaum möglich. Wie schaut es aktuell an den Märkten aus?
Wie vor einem Monat avisiert, erholten sich im April die Aktienkurse in Amerika (S&P 500: +1,5%), Japan (Topix: +2,7%) und Europa (STOXX 600: +1,9%). Aus der Sicht eines in Euro rechnenden Anlegers blieb nur Europa im Plus, während Amerika (-0,2%) und Japan (-1,5%) aufgrund schwächerer Währungskurse leichter schlossen. Beim Blick auf die Sektorenpräferenzen fällt auf, dass Anleger rund um den Globus im April vermehrt Aktien aus defensiven Sektoren nachfragten (z.B. Nahrungsmittel, Gesundheit, Konsumgüter des täglichen Bedarfs) und Titel aus konjunkturell exponierten Sektoren (z.B. Automobile, Stahl, Halbleiter) tendenziell häufiger mieden:
Nebenwerte schnitten in vielen Märkten schlechter ab als große Standard-Aktien: der S&P 500 übertraf den Russell 2000, der STOXX Large 200 den Small 200, der DAX den MDAX und der SMI den SMIM.
Beim Blick unter die Indexoberfläche lässt sich eine gewisse Bewegung in Richtung Sicherheit erkennen. Diese Tendenzen sind noch relativ jung, nur schwach ausgeprägt und hauptsächlich in den USA anzutreffen. Solange sich die Aktien in Asien und Europa hiervon wenig beeindruckt zeigen, bleibt es insgesamt bei einem überwiegend freundlichen globalen Gesamtbild und wir bleiben in der Beobachter-Rolle. Sollten sich diese Tendenzen jedoch verstetigen und global ausbreiten, dann liegt es in der Natur des Pfadfinder-Systems, dies wahrzunehmen und wie gewohnt Absicherungssignale zu generieren. Kommt es zu diesen, werden wir ihnen folgen. Bis dahin gilt es, die Füße stillzuhalten. Sell in May and go away? Bis auf Weiteres lautet meine Antwort: Nein.
Herzlichen Grüße
Ihr Daniel Haase
PS: Der nächste Pfadfinder-Brief ist für den 2. Juni 2023 geplant.
ÜBER Daniel Haase
Daniel Haase (geb. 1976, Mecklenburg) ist Fondsmanager und Vorstand der HAC VermögensManagement AG in Hamburg. Die Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands zeichnete sowohl die von ihm entwickelten Methoden zur Trendanalyse (2009) als auch jene zur Aktienauswahl (2019) mit VTAD Awards aus. Seit 2015 ist der gelernte Bankkaufmann beim Hamburger Vermögensverwalter HAC als Vorstand für das Asset Management zuständig. Nachdem der Marathon Stiftungsfonds (WKN: A143AN) des Hamburger Finanzhauses auch den Corona-Crash erfolgreich meisterte, verliehen die Ratingagenturen FWW und Morningstar dem Fonds im Sommer 2020 die bestmögliche Bewertung von fünf Sternen. Sein Marktkommentar (Pfadfinder-Brief) erscheint alle zwei Wochen und ist Bestandteil des Community-Premium-Pakets.