Aktuelle News · 08.11.2021
Marktkommentar: Vorsicht vor der „Anmassung von Wissen“
Aus dem Pfadfinder-Brief Nr. 21 vom 06. November 2021, von Daniel Haase, Fondsmanager und Vorstand beim Hamburger Vermögensverwalter HAC
Jetzt lesenSehr geehrte Leserinnen und Leser,
manche, die wie der Autor dieser Zeilen, im real existierenden Sozialismus aufgewachsen sind, im – nach Auffassung der damaligen Führung – „besseren deutschen Staat“, haben zuweilen eine gewisse Grundimmunität gegenüber Ideologien vielerlei Art entwickelt. Zumindest weisen einige eine gesunde Portion Skepsis gegenüber all jenen auf, die vorgeben oder tatsächlich glauben, irgendeine – stets alternativlose – Wahrheit gefunden zu haben. Die Skepsis wächst umso mehr, wenn nach Verkündung der Wahrheit von jedermann unbedingte Gefolgschaft einfordert wird.
Allerdings sollte sich diese Skepsis keineswegs nur nach außen richten, sondern auch nach innen: Je stärker die eigene Überzeugung, umso größer unser allzu menschliches Bedürfnis, nur noch bestätigende Informationen wahrzunehmen und unangenehme Widersprüche oder Schwächen in unserer eigenen Argumentation weitgehend zu ignorieren. Wenn wir als Börsianer beispielsweise Trends folgen, was aus den eben genannten Gründen häufig funktioniert, müssen wir uns selbst vor der Gefahr schützen, den Argumenten für die Fortsetzung des Trends allzu sehr zu vertrauen.
Bei der Aktienauswahl gehen wir bei HAC dem Risiko zu großer Überzeugung aus dem Weg, indem wir sehr breit, d.h. üblicherweise über mehrere hundert Titel streuen. Wir verlieben uns nicht in einzelne Aktien. Wir mögen keine Handelsspesen, denn wir sind keine Bank, die daran verdient. Aber wenn ein Titel nicht mehr alle unsere Qualitätskriterien erfüllt, ersetzen wir ihn konsequent durch einen, der das schafft.
Auch beim Pfadfinder-Risikomanagement vermeiden wir allzu starke eigene Überzeugungen und suchen stattdessen nach verlässlichen Regeln, die uns helfen, möglichst schnell herauszufinden, was der Markt gerade entdeckt. Das ist einfacher gesagt als getan. Als im Februar 2020 die Kurse fielen und unser Pfadfinder-System ein Absicherungssignal generierte, war unsere größte Sorge, nah am Tiefpunkt auszusteigen und die beginnende Erholung zu verpassen. Die Gewissheit, dass unser Pfadfinder-System Marktrisiken höchstwahrscheinlich besser beurteilen kann als unser aller Bauchgefühl, linderte das Unwohlsein bei der Umsetzung des Signals nur wenig. Erst, als die Kurse im März weiter rasant fielen und unsere Mandanten dank Absicherung davon nicht mehr betroffen waren, nahm die Zufriedenheit mit der systematischen Entscheidung wieder zu. Beim Wiedereinstieg Ende März das gleiche Spiel mit umgekehrten Vorzeichen und erneuten Bauchschmerzen.
Eigene Überzeugungen zweimal zurückzustellen und den Pfadfinder-Signalen zu folgen, hat sich gelohnt: Der Marathon Stiftungsfonds konnte die CoronaKrise schneller als 99,9% aller Fonds aus der Vergleichsgruppe (s. Abb. 2) hinter sich lassen. Das war die Bauchschmerzen wert.
Herzliche Grüße
Ihr Daniel Haase
PS: Der nächste Pfadfinder-Brief ist für Samstag, den 27. November 2021, geplant.
ÜBER Daniel Haase
Daniel Haase (geb. 1976, Mecklenburg) ist Fondsmanager und Vorstand der HAC VermögensManagement AG in Hamburg. Die Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands zeichnete sowohl die von ihm entwickelten Methoden zur Trendanalyse (2009) als auch jene zur Aktienauswahl (2019) mit VTAD Awards aus. Seit 2015 ist der gelernte Bankkaufmann beim Hamburger Vermögensverwalter HAC als Vorstand für das Asset Management zuständig. Nachdem der Marathon Stiftungsfonds (WKN: A143AN) des Hamburger Finanzhauses auch den Corona-Crash erfolgreich meisterte, verliehen die Ratingagenturen FWW und Morningstar dem Fonds im Sommer 2020 die bestmögliche Bewertung von fünf Sternen. Sein Marktkommentar (Pfadfinder-Brief) erscheint alle zwei Wochen und ist Bestandteil des Community-Premium-Pakets.