Aktuelle News · 11.11.2022
Ratgeber: Diversifikation - Warum sie diversifizieren sollten und es trotzdem bereuen werden
Wie kann ich mein Depot diversifizieren? Selbst Experten wissen nicht mit Gewissheit, welche Technologien und Trends sich durchsetzen werden. Und wenn doch, bleibt immer noch unklar, welche Aktien, die im jeweiligen Bereich tätig sind, sich im Wettbewerb durchsetzen werden. Doch es gibt eine Lösung: Diversifikation.
Jetzt lesenWie kann ich mein Depot diversifizieren? Selbst Experten wissen nicht mit Gewissheit, welche Technologien und Trends sich durchsetzen werden. Und wenn doch, bleibt immer noch unklar, welche Aktien, die im jeweiligen Bereich tätig sind, sich im Wettbewerb durchsetzen werden. Nicht immer gewinnt der „größere“, „finanzstärkere“ oder schlichtweg „offensichtlichere“ Wettbewerber wie einige eindrucksvolle Beispiele in der Börsenhistorie gezeigt haben. Wenn man dennoch richtigerweise durch Aktien vom Wachstum der Zukunft profitieren möchte, bleibt einem nichts anderes übrig als „auf mehrere Pferde zu setzen“. Das ist in der Praxis nicht so einfach wie man zunächst meinen mag. Überraschenderweise ist unser größer Feind dabei ein guter Bekannter: Unser eigenes Gehirn.
Auf einen Blick: Die zwei Seiten der Diversifikation
- Seine Anlagen breit zu streuen bedeutet, dass man permanent etwas zu bedauern hat.
- Viele Investoren sind (im Nahhinein) sehr erfolgreich gewesen, ohne zu diversifizieren.
- Dennoch ist es für die die allermeisten Menschen empfehlenswert, bei der Geldanlage zu diversifizieren, auch wenn dies automatisch dazu führt, dass Sie einige Ihrer Anlagen bereuen werden.
- Gehören Sie zu den sehr wenigen Menschen, die den Schmerz entgangener Gewinne höher gewichtet als den Schmerz realisierter Verluste, können Sie Ihr Vermögen extrem konzentrieren, benötigen aber viel Glück auf der wilden Rendite-Jagd.
- Diversifikation kann die Volatilität Ihres Portfolios senken und damit den Zinseszins-Effekt verbessern.
- Eine geringere Volatilität kann Sie vor dummen Entscheidungen aus Angst oder Gier bewahren, weil Ihre Nerven weniger stark auf die Probe gestellt werden.
- Nicht zu diversifizieren, ist statistisch betrachtet Zockerei.
Muss man diversifizieren, um Erfolg zu haben?
Nein, im Gegenteil. Einige der reichsten Menschen der Welt waren oder sind kaum diversifiziert zu ihrem Wohlstand gekommen. Vielmehr haben sie alles auf eine Karte gesetzt und sind gerade deshalb überdurchschnittlich reich geworden: Bill Gates mit Microsoft, Warren Buffett mit Berkshire, Mark Zuckerberg mit Facebook und viele andere Milliardäre haben alles auf eine Karte gesetzt und ihr Geld in den Gründungsjahren sicher nicht in andere Firmen als ihre Eigene investiert.
Warum Sie Diversifikation immer bereuen werden
- Sie bereuen die entgangenen Gewinne, die Sie gehabt hätten, wenn Sie nur die Gewinner gekauft hätten
- Sie bereuen es, die Verlierer eingekauft zu haben
Welche Art der Reue trifft Sie stärker? Der Profisportler Andre Agassi fasste die Antwort darauf sehr nachvollziehbar zusammen als er 2003 bei den Australian Open erstmals einen Grand Slam Titel gewann: „Nachdem ich diesen Grand Slam gewonnen habe, weiß ich etwas, das nur sehr wenige Menschen wissen dürfen. Ein Sieg fühlt sich nicht so gut an wie eine Niederlage sich schlecht anfühlt. Und das gute Gefühl hält nicht so lange an wie das schlechte – nicht einmal ansatzweise.“
Diversifikation zahlt sich häufig aus, nicht immer
Ein beeindruckendes Beispiel für Vorteile diversifizierter Investition ist das sogenannte „verlorene Jahrzehnt“. Anfang der 2000er Jahres machte man als Investor in Aktien mit hoher Marktkapitalisierung (z.B. mit dem S&P 500) zehn Jahre lang einen Verlust von 1% pro Jahr. Wir sprechen hier über ein ganzes Jahrzehnt! Vor dem Hintergrund der letzten 10 Jahre im S&P 500 (+215,09%) kann man sich das schwer vorstellen. Kein Wunder, dass ETF’s, also passive Index-Investments damals noch nicht in Mode kamen. Investoren, die hingegen nicht nur auf sogenannte „Large-Caps“ in den USA, also große US-Firmen gesetzt, sondern stattdessen gestreut angelegt haben auf z.B. US-Titel, europäische Aktien, Rohstoffe, Anleihen und Immobilien, hatten keineswegs ein verlorenes Jahrzehnt. Sie konnten ihr Vermögen vielmehr um über 7% pro Jahr steigern.
Doch es gibt auch Gegenbeispiele zum „verlorenen Jahrzehnt“. In anderen Perioden wie z.B. nach der „Großen Rezession“ gingen hauptsächlich Aktien nach oben, während andere Anlageklassen durchweg schwacher performten. In manchen Phasen wird ein diversifizierter Investor also immer mit Bedauern zu
Warum senkt Diversifikation die Schwankungsintensität?
Wie die Technologiebranche auf Zinsankündigungen sensibel reagiert, so reagieren andere Branchen und Regionen auf unterschiedliche Marktereignisse verschieden (stark). Genau dieser Umstand sorgt für echte Diversifikation. Wenn ein Teil Ihres Portfolios nach unten geht, steigt der andere. Ja, wie schon beschrieben, sorgt das zwar für Reue, aber unterm Strich profitieren Sie, denn nicht nur die Rendite, auch die Schwankung Ihrer Wertpapiere wird geglättet.
Mehr Rendite dank geringerer Volatilität
Die wenigsten Anleger haben wirklich verinnerlicht, dass ein Minus von 50%, ganze 100% Rendite im Folgejahr braucht, um überhaupt auf null zu kommen. Der Wert der Diversifikation, die die Schwankungen glättet, indem die Korrelation der Anlagen gesenkt wird, ist also noch einmal größer zu bewerten. Vereinfacht gesagt verbessert sie den Zinseszinseffekt.
Aber da ist noch mehr: Menschen reagieren emotional und die Börsen sind deshalb psychologisch geprägt. In Krisen herrscht Panik und die Volatilität schnellt in die Höhe. Je höher die Schwankungen Ihres Portfolios also sind, desto eher verlieren Sie die Nerven und werfen Ihre Strategie über den Haufen. Ein geringer schwankendes Portfolio hingegen stellt Ihre Nerven vor viel geringere Herausforderungen und gibt Ihrem Bauch weniger Angriffspunkte für dumme Ideen aus Angst oder Gier.
Diversifikation zieht die Wahrscheinlichkeit für Gewinner auf Ihre Seite
Ungefähr 40 bis 50% der Aktien machen im Laufe ihres Lebens Verluste, wenn man Ihre Performance über den gesamten Lebenszyklus betrachtet. 60 bis 70% der Aktien bleiben dabei hinter einem breiten Index zurück in der Performance. Nur circa ein Viertel der Aktien ist für sämtliche Börsengewinne verantwortlich (Anm. d. Red.: Die Summe dieser Prozentzahlen soll nicht 100% ergeben, weil es Schnittmengen in den Gruppen gibt).
Welche Konsequenzen hat diese nachgewiesene Erkenntnis? Einerseits schließen viele Menschen daraus das Falsche: Nämlich, dass sie es „nur“ schaffen müssen, diese 25% der Aktien ausfindig zu machen und zu kaufen. In ihrer Selbstüberschätzung trauen sie sich zu, dass sie diejenigen sind, die wissen, welche das sein werden. Wir wünschen dabei viel Erfolg. Rein statistisch wird es ihnen nur leider nicht gelingen. Ja, es gibt Jeff Bezos, Bill Gates, Mark Zuckerberg und Warren Buffett. Die haben es dank Konzentration auf Sieger geschafft. Doch das wissen wir erst jetzt, im Nachhinein! Die vielen anderen Verlierer der Konzentration kennt keiner, die wenigen Gewinner hingegen werden gefeiert.
Andererseits kann man das Ergebnis in eine frappierende und viel lehrreichere Botschaft umformulieren: Die Wahrscheinlichkeit, mit einer einzelnen Aktie pleitezugehen ist doppelt so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, damit den ganz großen Gewinn einzufahren. Diversifikation hilft auch hier und ist für einen strategisch gesund aufgebauten Vermögensaufbau unerlässlich. Alles andere ist Zockerei!
„Nicht zu diversifizieren, ist Zockerei!“
Wermutstropfen: Warum „echte Diversifikation“ immer schwieriger wird
Möglicherweise konnten Sie die vorgenannten Argumente für die Diversifikation überzeugen. Da stellt sich doch direkt die Frage, wie Sie diese umsetzen können. Wie zuvor erläutert, ist eine Hauptzutat für erfolgreiches Diversifizieren erforderlich: geringe oder sogar negative Korrelation zwischen den Portfoliobestandteilen. Die schlechte Nachricht dazu liefert Gary Antonacci in seinem Buch: „Dual Momentum Investing: An Innovative Strategy for Higher Returns with Lower Risk“:
Zwischen 1971 und 1999 betrug die durchschnittliche 1-Jahres-Korrelation zwischen dem S&P500 (größte 500 US-Aktien) und dem MSCI EAFE (Index aus über 500 nicht-amerikanischen Aktien aus aller Welt) 42%. Wenn sich die US-Aktien also stark nach oben oder unten bewegten, bewegten sich die übrigen Aktien in dieselbe Richtung, aber mit nur 42% der Intensität. Zwischen 2000 und 2014 lag dieser Wert unglücklicherweise schon bei 83%! Die Globalisierung hat ihre Vor- und Nachteile. Für die Diversifikationsmöglichkeiten wirkt sie offenbar eher nachteilig.
Auch innerhalb der Anlageklasse „Rohstoffe“ hat sich die Korrelation vervielfacht. Und sogar die Korrelation unter den Anlageklassen selbst hat sich verschärft: Während der Finanzkrise 2008 lag die Korrelation zwischen Aktien und Rohstoffen bei 80%. Dabei hätte man gerade in einer Krise die Hilfe der Diversifikation dank geringer Korrelation am nötigsten.
Neben der sich weiter erhöhenden Korrelation im gesamten Anlagemarkt, gibt es noch ein weiteres Hindernis: Manche Anlageklassen scheiden aus Ertragsgründen aus. Da wären insbesondere die Anleihen, auch genannt Rentenpapiere zu nennen. Negative Zinsen gehen einher mit gestiegenen Risiken, dass man sein Geld überhaupt vom Emittenten zurückerhält. Das ist nicht gerade ein annehmbares Chance-Risiko-Verhältnis. Doch je nach Risikoneigung, kann es selbst bei Negativzinsen im Sinne einer diversifizierten Anlage sinnvoll sein, Anleihen beizumischen.
Diversifikation ist nicht am Ende: Offen für Neues sein!
Die Globalisierung mag auf den ersten Blick nachteilhaft für das Spektrum und die Intensität der Diversifikation gewirkt haben. Doch bringt sie auch viel mehr Neues in einer viel höhere Geschwindigkeit hervor als früher. Neue Anlageklassen werden geschaffen (denken Sie einmal an Kryptowährungen), neue Möglichkeiten des Investments werden am laufenden Band lanciert (Broker, Neo-Broker, „Tokenisierung“ von Assets), Transaktionskosten sinken (Flatrate-Investing) und der Zugang zu weltweiten und unabhängigen Informationen ist so einfach wie noch nie zuvor (Internet, Suchmaschinen, soziale Medien).