Aktuelle News · 25.01.2022
Pro & Kontra: Sind Bärenmärkte ein Risiko oder eine Chance?
Kaum etwas an den Märkten ist eindeutig „gut“ oder „schlecht“. Auch Bärenmärkten lässt sich etwas Positives abgewinnen, obwohl die meisten Anleger sie als negativ einschätzen.
Jetzt lesenDas Wichtigste in Kürze:
Pro Bärenmärkte als Risiko
- Es drohen dauerhafte Verluste bei knapper Liquidität
- Begleiteffekte eines Bärenmarktes (häufig Inflation) bringen zusätzliche Verluste mit sich
- Bärenmärkte bringen selbst gesunde Unternehmen in die Bredouille
Pro Bärenmärkte als Chance
- Bärenmärkte bereinigen die Märkte von zweifelhaften Marktakteuren
- Chance für Langfrist-Investoren: Günstig einsteigen
Bärenmärkte sind ein Risiko
Für alle Anleger die nennenswerte Teile ihres Vermögens am Aktienmarkt investiert haben, stellen Bärenmärkte ein klares Risiko dar. Denn durch die Kursverluste sinkt der gegenwärtige Wert des bereits investierten Kapitalstocks, was ein großes Problem werden kann. Das gilt vor allem dann, wenn das Geld überwiegend in einzelnen Aktien investiert ist, die besonders stark von der Krise betroffen sind und sich vielleicht nie wieder erholen. Aber auch gut diversifizierte Anleger können dauerhafte Verluste erleiden, wenn sie zu einem bestimmten Zeitpunkt auf das Geld angewiesen sind und keine Zeit haben, eine spätere Erholung auszusitzen.
Dabei ist zu bedenken, dass man im Vorfeld nie weiß, wie lange die Abwärtsbewegung anhalten wird. In den seltensten Fällen geht es so schnell und glimpflich aus wie im Coronacrash 2020. Das dramatischste Beispiel eines Bärenmarkts war sicherlich die Weltwirtschaftskrise, die durch den Crash der US-Märkte im Jahr 1929 ausgelöst wurde. Damals rutschte die Wirtschaft in eine Depression, die den Markt bis 1932 um fast 90 Prozent abstürzen ließ. Aber auch die 1970er Jahre hatten eine lange Rezession, die mit einem zermürbenden Bärenmarkt verbunden war. Bereinigt um die damals hohe Inflation verloren Anleger in diesem Jahrzehnt einen viel höheren Teil ihrer Kaufkraft, als es die reinen Kursverluste andeuten.
Doch nicht nur für Anleger sind Bärenmärkte ein echtes Risiko. Auch eigentlich gesunde Unternehmen, die vielleicht nur die eine oder andere offene „Baustelle“ haben, können im Zuge einer längeren Abwärtsbewegung unter Druck geraten und Probleme bekommen. Ein gutes Beispiel war der Crash im Jahr 2008, als im Zuge der Lehman-Pleite der gesamte Banksektor ins Bodenlose stürzte und auch solide Institute mit sich riss. Daraus können sich dann weitere Probleme entwickeln, etwa eine Zunahme der Arbeitslosigkeit und ein Rückgang der Steuereinnahmen, was den Abwärtsstrudel mitunter noch verstärkt und die spätere Erholung verzögert.
Bärenmärkte sind eine Chance
Strukturell sind Bärenmärkte wichtig und notwendig, um die Wirtschaft von Zeit zu Zeit um schlechte Unternehmen zu bereinigen. In den guten Zeit hebt die Flut alle Boote, sagt man, während erst bei Ebbe zu erkennen ist, wer ohne Badehose schwimmt. In den guten Zeiten ist es deutlich einfacher frisches Geld zu beschaffen und den Laden am Laufen zu halten, sodass auch zweifelhafte Geschäftsmodelle überleben können.
Gelegentliche, moderate Krisen tragen deshalb dazu bei, faule Äpfel auszusortieren und die eingesetzten Kredithebel auf ein nachhaltiges Niveau zurückzufahren (Deleveraging). Damit werden in der Zukunft auch die wichtigsten Ressourcen, Kapital und Arbeitskräfte, besser allokiert. Allerdings wurde dieser im Wirtschaftszyklus „eingebaute“ Prozess der Bereinigung durch die anhaltende Nullzinspolitik etwas ausgebremst, was unter anderem dazu beitrug, dass die Anzahl an Zombie-Unternehmen in Europa zunahm. Damit sind Unternehmen gemeint, die „technisch tot“ sind, aber nicht vom Markt verschwinden.
Aber auch für Anleger können Bärenmärkte durchaus vorteilhaft sein. Und zwar dann, wenn sie breit diversifiziert in klassische Fonds oder ETFs investieren und diese für einen langen Zeitraum behalten. Zwar sind die Kursverluste kurzfristig negativ, da der Wert des bereits investierten Kapitalstocks dahinschmilzt. Gleichzeitig fallen aber in der Regel auch die Bewertungen am Aktienmarkt, sodass mit neu angespartem Geld günstig nachgekauft werden kann. Und Anleger, die monatliche Sparpläne nutzen, kaufen bei niedrigen Kursen für den gleichen Betrag automatisch mehr Anteile, was ihnen langfristig ein kleines Extra an Rendite verschafft, sobald die Kurse wieder oben sind. Allerdings funktioniert das Ganze natürlich nur, wenn man den Plan auch tatsächlich durchhält. Das beste Beispiel war der Coronacrash im Frühjahr 2020: Hier brachen die Kurse auf breiter Front um deutlich mehr als 20 Prozent ein, sodass offiziell ein Bärenmarkt vorlag. Allerdings war dieser rückblickend betrachtet eine große Kaufgelegenheit: Schon nach erstaunlich kurzer Zeit hatten sich die Kurse wieder erholt.
Die Grafik zeigt den Start der US-Bärenmärkte sowie deren Dauer (in Monaten) und Tiefe (in Prozent), gemessen anhand des S&P 500. Nach „offizieller“ Definition, über die man sich natürlich streiten kann, besteht ein Bärenmarkt erst dann, wenn die Kurse am breiten Markt um mehr als 20 Prozent einbrechen. Der Coronacrash im Frühjahr 2020 war der kürzeste Bärenmarkt aller Zeiten.
Quellen: Thomas Franck, CNBC, S&P Global